Vor Ort nachgeschaut: "angemessener" Wohnraum

Mobil oder immobil – wie flexibel ist der Wohnungsmarkt, sind die Menschen

Anbieter sozialer Dienstleistungen schauten sich in der Fritz-Erler-Siedlung den angemessenen Wohnraum an


Siegen/Kreuztal. Im Rahmen des Modellprojektes DazuGehören der Alternative Lebensräume GmbH fand das 4. Netzwerktreffen der sozialen Hilfeanbieter in Kreuztal und Hilchenbach statt. Im Netzwerk befinden sich Vertreter der Wohnungsbaugenossenschaften, des Jobcenters und der Behörden, der Schuldenberatung sowie der Wohnungslosen- und Wohnberatung. Ziel der Netzwerker ist es, Wohnungsnot frühzeitig zu erkennen und Räumungen sowie Wohnungslosigkeit zu vermeiden.

Das Netzwerk traf sich diesmal im Stadtteilbüro der Fritz-Erler-Siedlung, um sich die Situation vor Ort genauer anzusehen. In der Siedlung leben rund 2.500 Menschen verteilt auf 700 Wohneinheiten. Nur 6% des Wohnangebotes lägen zwischen 40 und 49qm und seien Singlewohnungen. 60% bestünden aus 3-Zimmerwohnungen mit einer Größe von 70-85qm, weitere lägen darüber. Henning Beier von der LEG schloss dazu zwei beispielhafte Wohnungen auf und erläuterte, dass die Singlewohnungen alle vermietet seien, Schwierigkeiten gäbe es bei der Vermietung  der 74qm großen 3-Zimmerwohnungen. Die stehen teilweise leer. Wohnraum ist also vorhanden, nur nicht der, der benötigt oder gesucht wird.

Familie verändert sich

Wenn sich die Familienzusammensetzung ändert, kann das für alle Beteiligten schwierig werden. Zieht eine Person aus, sucht diese wahrscheinlich eine Singlewohnung, die nicht leicht zu finden ist. Die Zurückbleibenden haben dann vielleicht ein Zimmer zu viel. Die Wohnung ist nicht mehr angemessen, womöglich auch nicht mehr bezahlbar. Das betrifft insbesondere kleine Einkommen und Menschen, die Leistungen beziehen. Denn die Jobcenter und Sozialämter können nur die von den Kommunen festgelegten Kosten übernehmen, wobei es immer eine Übergangsfrist von 6 Monaten gibt und darüber hinaus differenziert der Bedarf und das Wohnungsangebot vor Ort geprüft wird. Bleibt eine Alleinerziehende mit zwei Jugendlichen zurück, heißt das unter Umständen, dass sie umziehen muss. Jetzt sind die klassischen 70er Jahre-Sozial-Wohnungen so geschnitten, dass sie 3 Zimmer, Küche, Bad haben, davon ist eines ein großes Wohnzimmer, es gibt eine eher kleine Kochküche, ein kleines Bad, ein Elternschlafzimmer und ein kleines Kinderzimmer. Dieser Wohnungsschnitt passt nicht auf den Bedarf einer Alleinerziehenden – die in diesem Beispiel im Wohnzimmer schlafen müsste, wenn die Kinder eigene Zimmer haben möchten. Sie wird womöglich in der alten Wohnung bleiben und einen Eigenanteil zahlen müssen, wenn die Kosten nicht übernommen werden können und sie darüber hinaus keinen anderen geeigneten Wohnraum findet.

Einen alten Baum versetzt man nicht?

Es kommt noch hinzu, dass es immer mehr ältere verwitwete Menschen gibt, die sich die Wohnung nicht mehr leisten können oder  im vorhandenen Wohnraum nicht optimal versorgt werden können, weil es beispielsweise an Barrierefreiheit mangelt.

Dass bezahlbare und den heutigen Bedarfen angepasste Wohnungen fehlen, ist nicht nur Thema in den Ballungsräumen. Die Problematik wurde auch vor Ort erkannt und seitens der LEG und der Anbieter sozialer Dienstleistungen sind die Sinne geschärft. Die LEG prüft Umbaumaßnahmen im Bereich der Barrierefreiheit sowie Möglichkeiten vorhandene leerstehende große Wohnungen anders einzuteilen.

Im Netzwerktreffen vor Ort hat sich gezeigt, dass die LEG mit den alten Beständen an neuen Konzepten arbeitet. Planerische Mobilität ist gefragt, natürlich auch Finanzierung. Mit ihrer Erfahrung in der Arbeit mit Menschen in Wohnraumschwierigkeiten und Schuldenfalle, die auch untere Einkommen betrifft,  tragen die sozialen Hilfeanbieter dazu bei, neue Impulse und Ideen für die Menschen in Notsituationen einzubringen. Denn: Wie mobil ist der Mensch? Aus der Beratungserfahrung heraus wurde ersichtlich, dass Menschen nicht gerne einen Ortswechsel in Kauf nehmen, dass sie in ihrem Quartier leben möchten. Zudem, nicht immer ist ein Umzug ins Umland günstiger, da dann Kosten für weitere Fahrten zum Arbeitsplatz anfallen.

Was fehlt sind also kleinere Wohnungen für Singles, angemessener und geeigneter Wohnraum für Alleinerziehende und Senioren. Das Know-how und Potenzial im Netzwerk für die soziale Hilfestruktur in Kreuztal und Hilchenbach ist vorhanden, um die bestehende Wohnraumproblematik konstruktiv anzugehen.

Das Ministerium für Arbeit, Integration, Soziales des Landes NRW und das Jobcenter des Kreises Siegen-Wittgenstein fördern das Projekt DazuGehören. Durch DazuGehören werden Frauen, die in einer kritischen Wohnraum- und Lebenssituation sind, frühzeitig dabei unterstützt, aus ihrer momentanen Lage herauszukommen, um wieder „festeren Boden“ unter den Füßen zu erhalten. Bevor Mietschulden drücken, amtlich wirkende Post nicht mehr geöffnet wird und das Gefühl der Überforderung übermächtig und lähmend wird, setzt das Projekt DazuGehören an, um diese Belastungssituation für alle Betroffenen positiv zu lösen. Das schließt auch Vermieter ein, die bei Fragen zu kritischen Mietverhältnissen Beratung wünschen. Für eine Weiterfinanzierung des Angebots ist man derzeit vor Ort im Gespräch. Es wurde im Netzwerk begrüßt, dass Projektleiterin Susanne Engel, darüber berichtete, dass geplant ist, diese Hilfe zukünftig auch Männern mit Wohnproblematik anzubieten.

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